Mit der Hilfe des Himmels





    Christlicher und jüdischer Glaube – Zwei Wege zum Heil?

    Tübinger Stimmen und Stimmungen zur Kontroverse um »Judenmission«

    Von Harry Wassmann.

    »Den Juden als Feind lieben«

    Bis heute schlägt ein Studientag in Tübingen Wellen, der am 14. Dezember 1999 stattfand, und zu dem die Evangelisch Theologische Fakultät der Universität Tübingen eingeladen hatte: Christlicher und jüdischer Glaube – Zwei Wege zum Heil?

    Planung und Gestaltung des Tages lagen in der Verantwortung der studentischen Vertretung an der Fakultät. Die studentischen Vertreter hatten die Presse eingeladen mit dem ausdrücklichen Hinweis, der Studientag behandle ein Thema, das in den evangelischen Landeskirchen im Moment von aktueller Brisanz ist. Beim Studientag entstand für Gäste der Eindruck, Studieren und Lehren geschieht in Kreisen der Evangelisch-theologischen Fakultät israelvergessen. Kritik wurde laut, es sei ohne Juden über Juden geredet worden. Die Äußerung, dass man den Juden als Feind lieben solle (Prof. Slenczka) und die Rede von getauften Psalmen (Prof. Hofius), erregten Anstoß. Befremden löste auch die Einladung von entschlossenen Judenmissionaren aus, wogegen schon im Vorfeld einige Professoren erfolglos protestiert hatten. Als Gäste waren außerdem Prof. Klappert (Wuppertal) und Prof. Wengst (Bochum) eingeladen.

    Sollen Christen Juden missionieren?

    Die Frage, ob Christen Juden missionieren sollen, damit auch sie durch die Taufe zu Christus und zum Heil Gottes kommen, ist in der evangelischen Kirche nicht ganz zufällig erst seit der deutschen Wiedervereinigung verbreitet aufgebrochen. Zuletzt auf dem Stuttgarter Kirchentag (1999), wo Gruppen massiv für Judenmission votiert haben (darunter auch Altlandesbischof Theo Sorg).

    Die Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen hatte sich für diesen Kirchentag alle anderen Veranstaltungen versagt und sich ganz auf die Begründung eines Neins zur Judenmission konzentriert, denn ein Ja zur Judenmission zerstört die Bedingungen des Dialogs mit jüdischen GesprächspartnerInnen. Die Befürworter der Judenmission hat das nicht beeindruckt. Eher war in Stuttgart eine Jetzt-erst-recht!-Haltung zu spüren. Wie Judenmission unter heranwachsenden TheologInnen diskutiert wird, wie sich eine Evangelisch-theologische Fakultät über diese Frage weltweit und wie in der Tübinger Öffentlichkeit darüber diskutiert wurde, wirft ein Schlaglicht auf die derzeitige Gemütslage im deutschen Protestantismus.

    Für Professor Klappert war der Weg nach Tübingen auch eine Rückkehr an die Stätte seines verstorbenen Lehrers Professor Otto Michel, dem Begründer des Institutum Judaicum und Wegbereiter des jüdisch-christlichen Dialoges an der Tübinger Fakultät. Prof. Klappert verlas eine Erklärung von Otto Michel aus dem Jahre 1986, in der er sich den Beschlüssen der Rheinischen Synode von 1980 verpflichtet hatte, die von der bleibenden Erwählung Israels sprechen und von einem demütigen Hören auf die Traditionen Israels inspiriert sind.

    In den 50er und 60er Jahren waren Otto Michels Institut und die Fakultät weit über die Landesgrenzen hinaus für Begegnung und Dialog mit dem gegenwärtigen Judentum bekannt. Umso mehr war Prof. Klappert über die heutige Israelfremde hiesiger Studenten und Professoren bestürzt. Das brachte er in einem Presse-Gespräch mit dem Schwäbischen Tagblatt zum Ausdruck.

    »Oh, ihr Heuchler, ihr Pharisäer«

    Die StudentInnen wollten diese Zeitungs- Kritik nicht auf sich sitzen lassen und schrieben an den Landesrabbiner Dr. Berger.

    Der Landesrabbiner antwortete am 31.12.1999 öffentlich:

    »Das Thema des Studientages hieß, so berichten Sie mir, ›Christlicher und Jüdischer Glaube – Zwei Wege zum Heil?‹ Das Fragezeichen belehrt mich darüber, dass Sie durchaus bezweifeln, dass auch ich als Jude zum Heil gelangen könnte (ich nehme nicht an, dass auf dem evangelischen Studientag der christliche Weg zum Heil in Frage gestellt werden sollte).

    Sodann erfahre ich, dass es deutlich unterschiedliche Positionen auf dem Studientag gegeben habe; ›zu einem Dialog‹, so schreiben Sie, gehöre aber, ›dass beide Seiten zu Wort kommen dürfen‹. Gespannt auf die Teilnehmerliste finde ich dort als Referenten christliche Theologen, darunter von mir hoch geschätzte Professoren, einen Vertreter des Evangeliumsdienstes für Israel, dessen erklärtes Ziel die Missionierung von Juden ist, und einen so genannten ›messianischen Juden‹, ein eifriger Missionar, der vor allem jüdische Emigranten aus der Sowjetunion zum Christentum bekehren will. Also christliche Theologen und Judenmissionare: Sind das die ›beiden Seiten‹ Ihres ›Dialogs‹ zwischen ›christlichem und jüdischem Glauben‹?

    Dann ist es nur folgerichtig, wenn Sie außer Juden auch Psalmen taufen, und es ist wenig erstaunlich, wenn Sie Juden als Ihre Feinde lieben. Juden als Juden sind in diesem Dialog offenbar keine Gesprächspartner. Hier drängt sich mir Ihr neutestamentarischer, nicht gerade von christlicher Nächstenliebe geprägter Ausspruch auf: ›Oh, ihr Heuchler, ihr Pharisäer.‹

    Das christlich-jüdische Gespräch ohne Juden ist mir bestens bekannt: Die mit teilweise aggressiven Strategien operierenden Missionare in den Wohnheimen, in denen jüdische Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion wohnen, pflegen diese Art des Gesprächs. Selbst mit einiger Erfahrung im christlich-jüdischen Dialog war ich schon erstaunt, dass Theologen und Theologinnen nach den abgelaufenen ›ruhmreichen‹ 2000 Jahren des Christentums (Kreuzzüge, Inquisition, Pogrome, Hostienschändungslegenden, Ritualmordanklagen, Luthers späte Schriften, um nur einige ›Rosinen‹ herauszupicken) das neue Millenniurn mit solch einer Tagung als Ouvertüre eröffnen w#ollen. Ich fürchte, Herr Professor Klappert hat Recht: Viele in Württemberg scheinen den Dialog mit Juden nicht zu wollen. Damit könnte ich jedoch leben. Schlimmer ist: Viele in der württembergischen Landeskirche suchen das ›Gespräch‹ um Juden dem Judentum zu entreißen. Das können und werden wir nicht unwidersprochen hinnehmen.«

    Bis heute gab es keinerlei öffentliche Reaktion – weder von studentischer noch professoraler Seite – auf diesen Brief des Landesrabbiners. Nach der Lektüre des Readers zum Studientag und aktueller Veröffentlichungen Tübinger Theologen (Stuhlmacher, Wendebourg, Jüngel, Neuendörfer u.a.) kam das Schwäbische Tagblatt zur Einschätzung: »Tübingen ist seit langem eine Theorie-Hochburg der Judenmission«.

    Hinter Lessing zurückgefallen?

    Die kirchliche und insbesondere die nicht-kirchliche Öffentlichkeit reagierte mit empörter Ablehnung auf das Ansinnen »Judenmission«. Eine Leserbriefflut füllte tagelang die Spalten der Tageszeitung. Wo bleibt die Toleranz für Andere? Haben die Theologen nicht einmal mehr Lessings Ringparabel im Sinn? Katholiken (Laien wie Professoren, Priester wie Ordensschwestern und PastoralreferentInnen) wunderten sich, was da im evangelischen Württemberg theologisch ausgebrütet wird.

    Prof. Groß erklärte: »Judenmission ist bei uns (Katholiken) kein Thema« und verwies darauf, dass seit dem II. Vatikanum das Vorhaben Judenmission theologisch vorbei sei.

    Am 12.1.2000 meldeten sich schließlich drei evangelische Theologieprofessoren zu Wort: Prof. Bernd Janowski, Prof. Hermann Lichtenberger und Prof. Stefan Schreiner. Sie erklärten öffentlich ihr Nein zur Judenmission und ihre Kritik am Verlauf des Studientages: »Judenmission, in welchem Gewand auch immer sie daherkommt, lehnen wir ab, ohne Wenn und Aber, aus exegetisch-theologischen Gründen eben so wie aus historischen und moralischen. Der Versuch von Heiden(christen), das Volk Gottes zu missionieren, ist ein aberwitziges Unterfangen, das in den kanonischen Schriften der Kirche keinerlei Rechtfertigung hat. Das Judentum ist keine defizitäre Religion; es ist dies heute ebenso wenig, wie es dies je war. Jüdisches Selbstverständnis lebt von der gottgeschenkten Heilsgewissheit, ›dass ganz Israel an der zukünftigen Welt Anteil hat‹ (Mischna, Traktat Sanhedrin, Kapitel 10). Nur menschliche Hybris kann diese Heilsgewissheit bestreiten. [...]

    Juden und Christen sind je auf ihre Weise zu Zeugen des Einen Gottes ›in unserer Welt berufen‹. Wenn Christen dieses Zeugnis mit den Psalmen der hebräischen Bibel ablegen, rezitieren sie keine ›getauften Psalmen‹, sondern stimmen ein in das Gotteslob Israels, in das Bekenntnis zu dem Einen Gott. [...] Im Blick auf die bevorstehende Frühjahrssynode der württembergischen Landeskirche, die sich unter anderem das Thema Judenmission auf die Tagesordnung gesetzt hat, bleibt uns nur die Hoffnung, dass sie über genügend theologische Weisheit, Einsicht und Mut verfügt, mit einer klaren Absage an die Judenmission ein deutliches Zeichen der metanoia, der Buße und des Umdenkens zu setzen, um nach Jahrhunderten der ›Vergegnung‹, wie Martin Buber sagte, zu einer Begegnung von Christen und Juden zu kommen und einen Neuanfang des Gespräches zwischen ihnen zu ermöglichen.«

    Für ihr offenes Wort werden die drei in der Fakultät bis heute von Kollegen und Studierenden gescholten. Die vom Landesbischof erbetene Stellungnahme der Fakultät (vom 23. Februar 2000) zum Verhältnis von Juden und Christen spricht denn auch eine ganz andere Sprache. Spitzfindig wird darin lediglich vom Verzicht des Begriffs (!) Judenmission gesprochen: Der Begriff Judenmission ist so belastet, dass er die Verständigung erschwert. Deshalb sollte auf ihn verzichtet werden. Und die Praxis? Das Osterevangelium, so das Votum der Fakultät, sei allen Menschen zu bezeugen auch in der heutigen Begegnung mit Juden. »_Christen bezeugen in Wort und Tat die Wahrheit des Evangeliums Juden und Heiden.«

    Statt Mission Evangelisation? Mehr als nur eine neue Sprachregelung? Weiter im Text: »Das schließt den Respekt vor dem Selbstverständnis Israels ein, im ungekündigten Bund zu leben und in ihm das Heil zu erfahren. Absage an Judenmission oder subtiles Aberkennen der bleibenden Erwählung Israels nach der Art: Wir anerkennen euer(!) jüdisches Selbstverständnis im ungekündigten Bund zu leben. Wir Christen denken aber freilich...«.

    Das Wort der Fakultät bleibt uneindeutig und widersprüchlich. Es ist offenbar auch immer wieder die Kunst akademischer Theologie, auf leisen Sohlen schier unbemerkt die Positionen zu wechseln. Allerdings kann wird man sie auch hin und wieder an ihren Früchtchen erkennen: Israelmissionswillige Evangelikale haben sich in der Landessynode im April für ihre Vorbehalte gegen ein Nein zur Judenmission prompt auf die Fakultätsstellungnahme berufen.

    Nachbeben

    Eine öffentliche Kontroverse zwischen Theologieprofessoren um ein Für und Wider war und ist in Tübingen noch immer nicht möglich. Auch die drei mit ihrem klaren Nein zur Judenmission schweigen seitdem in der Öffentlichkeit. Der Streit wird hinter verschlossenen Türen fortgesetzt.

    Zur geplanten Tagblatt-Podiumsdiskussion sagten alle angefragten evangelischen Theologieprofessoren ab. Die Studierenden lehnten das Gesprächsangebot des Taglatt-Autors Kurt Oesterle sowie jüdischer Gemeindeglieder ab. Sie reagierten weder auf den offenen Brief von Landesrabbiner Berger noch auf die Erklärung ihrer Professoren. Man hört, universitäre Einrichtungen im In- und Ausland hätten nur auf Grund des klaren Neins der drei zur Judenmission, die Kontakte nicht abgebrochen. Der diesjährige Leopold-Lucas-Preisträger Richard von Weizsäcker äußerte anlässlich der Preisverleihung (16. 5. 2000), es stünde Christen nicht an, Juden auf Jesus anzusprechen.

    Die Kritisierten hüllen sich zwar in Schweigen, aber sie sind deswegen nicht untätig. Sie streuen da und dort ihre Verletztheiten aus und hoffen auf publizistische und kirchenamtliche Schützenhilfe. Nicht ohne Resonanz. Auch in der Landessynode brach der Zwiespalt offen zu Tage. Zwar lehnte man in der in einigen Passagen sehr beachtenswerten Erklärung (6. 4. 2000) den Begriff der Judenmission ab, eine klare Absage der Praxis der Judenmission fand dagegen nur eine knappe Mehrheit (39 Ja-Stimmen, 32 Nein-Stimmen, 5 Enthaltungen). Anträge in der Synode zur Förderung judenmissionarischer Werke wie dem edi (Evangeliumsdienst in Israel) folgten auf dem Fuß (7. 4. 2000). Vor allem eine kleine Gruppe von Judenchristen, die sich als »messianische Juden« tituliert, dient unter der Überschrift Juden für Jesus (idea) als Bresche für judenmissionarische Aktivitäten.

    Im Nachgang zur Synodenerklärung outeten sich prompt rund 190 PfarrerInnen als Befürworter der Judenmission. Mittlerweile erscheinen im württembergischen Pfarrerblatt Beiträge aus der Feder junger Pfarrer, die die Grenze des schlechten Geschmacks deutlich überschreiten. Einer wendete ein, es seien in der Geschichte häufiger Juden gewesen, die Christen verfolgt hätten auf eine Art eine theologische Metamorphose der Auschwitz-Lüge. Andere beklagen, es könne und dürfe mit den Auschwitz-Schuldgefühlen nicht das christliche Vorhaben vereitelt werden, alle Welt zu missionieren.


    Ergebnisse und Ausblicke

    1. Dialog beschädigt

    Weder Synode noch Kirchenleitung haben einmütig der Praxis der Judenmission eine Absage erteilt. Freilich: Gemessen am ihrem Vorhaben, scheitern die Judenmissionare. Doch die Nebenwirkungen ihrer Propaganda sind erheblich: Das Klima von Dialog und Begegnung zwischen Juden und Christen ist schwer belastet. Landesrabbiner Dr. Joel Berger wie Meinhard Tenné, der Vorstandssprecher der israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, haben mehrfach für ihre Gemeinde erklärt:

    Dialog erfordert die gegenseitige Anerkennung des Anderen. Wo ChristInnen aber so auf einer Überlegenheit ihres Glaubens beharren und Judenmission befürworten, ist der jüdisch-christliche Dialog am Ende, bevor er in den Gemeinden Früchte tragen konnte. Die Missionseiferer nehmen auch das billigend (oder ahnungslos?) in Kauf, selbst wenn die Arbeitsgemeinschaft Christen und Juden sich womöglich nicht mehr am Kirchentag beteiligen kann.

    2. Demut ist Schwäche – Wir sind wieder wer!

    Es geht in der Frage der Judenmission nicht um diesen oder jenen Unterschied in religiösen Vorstellungen, sondern radikal darum, den christlichen Glauben als den allein seligmachenden zu propagieren. Judenmission setzt die Überzeugung voraus: Wir Christen haben den Heiland gefunden und sind deshalb auf dem Heilsweg – Juden noch nicht. Wir Christen müssen Juden auf diesen Heilsweg bringen, sonst sind sie vor Gott Heillose. Das Juden in Deutschland öffentlich ins Gesicht zu sagen (Die Kirche glaubt und bezeugt im Christusgeschehen das endgültige, nicht überbietbare Gotteshandeln für das Volk Israel und die Völkerwelt. – Synodenerklärung, 6.4.2000) gehört gewissermaßen zur Königsklasse der unverfrorenen Selbst(be)achtung.

    3. Krise provoziert Missionseiferer

    Zwei Strömungen prallen in der öffentlichen Kontroverse aufeinander: Die einen wollen nach Jahrzehnten der neuen Nachkriegs-Wege zum Verständnis des Judentum im Dialog zum Ausdruck bringen: Es gibt keinen Grund für irgendeine christliche Überlegenheit gegenüber Jüdinnen und Juden vor Gott. Neben den obligatorischen Schuldbekentnnissen, die gedenkredenhalber landauf landab zu hören sind, geht es nun darum, dass Christen und Kirchen ihr Verhältnis zu jüdischen Gemeinden neu bestimmen. Zu einem gedeihlichen Neben- und Miteinander von Kirche und Synagoge gehört als Minimalvoraussetzung der ausdrückliche Verzicht auf Judenmission (so die Erklärung der Synode der westfälischen Kirche, 4.November 1999).

    Demgegenüber steht die Angst der selbst ernannten Retter der rechten Lehre und des rechten Bekenntnisses um einen wie auch immer gearteten theologischen Besitzverzicht. Das wurde so schon vor 20 Jahren als Vorwurf gegen Peter von der Osten-Sacken erhoben, dem Leiter des Instituts für Kirche und Judentum und Professor für Neues Testament in Berlin. Das Nein zur Judenmission wird von den so Geängstigten als Untreue zur neutestamentlichen Überlieferung, generell als fehlendes christliches Selbstbewusstsein, mithin als Glaubens-Schwäche angesehen. Man würde damit den Anspruch auf den exklusiven Heilsweg der Christen preisgeben und wenn man schon einmal bei den Juden damit angefangen hat, wo hört man dann auf? Das Ja zu Judenmission hat mit geistlichen Verlustängsten zu tun und hat Anteil an der generellen Krisenstimmung von Kirche und christlicher Religion. Gerade die Krise der öffentlichen Anerkennung der eigenen Tradition provoziert den Missionseifer: Wir sind (auch wieder) wer! Hier ist der letzte Halt, hier sind die Werte, hier geht’s lang. Früher oder später kriegen wir euch alle.

    4. Identität sucht Abgrenzung

    Den Heilsweg Israels mit Fragezeichen versehen, ist Futter für die angefochtene (schuldbeladene?) christliche Identität. Hier im Binnenbereich der Kirchen liegt denn auch die immense Wirkung der Debatte: Wer für Judenmission eintritt, stünde auf der Grundlage von Schrift und Bekenntnis, wer nicht, würde als PfarrerIn sein Ordinationsversprechen brechen. Schon die Singulare Schrift und Bekenntnis verraten übrigens, wie verschlossen solche Verfechter der Mission für Gottes Geschichte sind: »ER spricht durch Schriften und Bekenntnisse und hat noch nicht aufgehört«. (Ps 50,3.21) In den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren ging es gegen die ungläubigen von Bultmann beeinflusstenbeeinflußten Pfarrer, jetzt wird die Judenmissionswilligkeit zum Prüfstein.

    5. Evangelische Erblasten

    Evangelisch daran ist die Erblast des Biblizismus wie auch der von jeder Geschichte unbeleckte Sprung in den urchristlichen Kontext, als könne man mit Zitaten aus der Apostelgeschichte heute ein Mit- und Nebeneinander von Juden und Christen begründen.

    Erschreckender noch: Wie viele Worte zur Judenmission und wie versammelt das Schweigen zum Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge. Ob die Herzen der ChristInnen hierzulande rasch spüren und begreifen, wie bedrohlich das Insistieren auf Identität – deutscher wie christlicher – für alle anderen im Land werden kann? Einer nennenswerten nicht-kirchlichen Öffentlichkeit war das im Tübinger Streit jedenfalls keineswegs egal.



Jüdische Weisheit


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